Maulkorb 2006

Es gibt einen alten Witz, in dem ein Mensch einen anderen fragt: „Können Sie mir sagen, wie spät es ist?“ Und der andere antwortet: „Ja“.>

Darauf der erste: „ich wusste gar nicht, dass sie Jurist sind“.

Wie er das herausgefunden hat?

Weil Juristen immer korrekte Antworten geben, mit denen selten ein normaler Mensch etwas anfangen kann.

Damit ist eigentlich das Verhältnis von Journalisten zur Pressestelle des Innenministeriums schon hinreichend beschrieben. Sicher kann man daran zweifeln, ob es Journalisten normale Menschen sind, aber sicher ist: Der Pressesprecher des Innenministeriums ist ein Jurist. Was verschärfend hinzukommt: Sein Minister auch.

Und so kommt es selten vor, dass man eine unkorrekte Antwort aus dem Hause erhält. Nur kann man eben manchmal wenig damit anfangen.

Weil es auch noch das Sprichwort von den zwei Juristen und den drei Meinungen gibt, will man offenbar die armen Journalisten nicht noch zusätzlich verunsichern und sagt, wenn überhaupt, nur das Nötigste. Nach reiflicher Abwägung. Und am besten ist es, die Frage liegt schriftlich vor. Juristen lieben Schriftliches, wenn es sich nicht gerade um Anfragen handelt, die am Nachmittag eintreffen und noch am gleichen Tag beantwortet werden sollen.

Vielleicht liegt es auch an der Struktur dieses Hauses. Es gibt da so viele Abteilungen, deren Auftrag darin besteht, die Menschheit vor etwas zu beschützen. Die Leute vom Katastrophenschutz sollen uns vor Katastrophen schützen, die Leute vom Verfassungsschutz vor der …..

Na gut, das war ein schlechtes Beispiel.

Aber bei der Pressestelle des Innenministeriums hat man jedenfalls manchmal den Eindruck, ihre Aufgabe bestünde darin, jemanden vor der Presse schützen. Ob nun die Menschheit, das Innenministerium oder sich selber, das ist nicht so ganz offensichtlich. Aber sie macht das jedenfalls, zu unserem Leidwesen, ganz gut.

Wenn man in so einer Schutztruppe arbeitet, ob nun Feuerwehr, Strafvollzug oder Pressestelle, schlägt das oft aufs Gemüt. Die harmlose Form ist die resignierende Einsicht: Es dankt einem ja keiner. Es kann aber auch schlimmer kommen, dann blühen die Verschwörungstheorien. Von der Pressestelle des Innenministeriums zum Beispiel wurden vereinzelte subversive journalistische Elemente in isolierten Medien ausgemacht, die gegen die allgemein geschätzte Öffentlichkeitsarbeit des Hauses Stimmung machen und so gegen den Willen der Mehrheit der braven Schreiberlinge die heutige Negativ-Auszeichnung durchgesetzt haben.

Ich versichere Ihnen: es ist nicht so. Und ich empfehle, der anschließenden Laudatio für den diesjährigen Rasselbock-Träger zu lauschen. Denn es geht, so wird zu hören sein, auch anders.

Weil es dazu aber bis zum Rasselbock im Innenministerium noch ein wenig Anstrengung bedarf, geht der Maulkorb der Landespressekonferenz 2006 an den Pressesprecher Dr. Michael Koch.

Eberhardt Pfeiffer

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